Samstag, 7. September 2013

Von inneren Kritikern und wohlwollenden Begleitern

Eins habe ich in den letzten Jahren immer wieder festgestellt: Ich habe ein dickes Problem mit Kritik oder auch nur vermeintlicher Kritik. Nicht von jedem, nicht in jeder Lebensphase. Aber wenn, dann beeinflusst diese Kritik stark mein Denken und mein Gefühl von Lebensqualität.

Dabei geht es meistens nur um Kritik, die meine "Leistung" betrifft und zwar meine Leistung in einem ganz bestimmten Kontext: Studium, Arbeit, Lebensweg.

Wenn ich zum Beispiel bezüglich meiner Studienentscheidungen (Ja, ich habe mich nach dem ersten Studium noch mal für ein zweites entschieden. Ja, ich habe Kunstwissenschaft studiert, auch wenn die Berufschancen nicht so bombig aussehen) von jemandem kritisiert werde, dann empfinde ich das als stark unangenehm und beginne an mir, meinen Entscheidungen und meiner Person zu zweifeln.

Am schlimmsten ist es, wenn mich "Autoritätspersonen" kritisieren, Professoren zum Beispiel. Solche Kritik nehme ich persönlich, auch wenn es zum Beispiel nur um mein Organisationsverhalten geht. Wie so oft bin ich selbst dann mein größter Feind. Sie ruft in mir eine Kette an eigenen (meist unbewussten) Kritikersätzen hervor, die ich tagtäglich mit mir herumtrage und die nur darauf warten, sich auf mich zu stürzen wie hungrige Wölfe ;)  Das reicht von Sätzen wie Schon wieder hast du vergessen XY zu tun, das darf doch nicht wahr sein! über direkte Angriffe Du bist unorganisiert/ faul oder was auch immer bis hin zu Andere hätten das ohne Probleme hinbekommen, du bist nicht normal... "Andere" spielen dabei oft eine besonders große Rolle... Natürlich glaube ich nicht wirklich, dass ich faul oder unnormal bin, aber in bestimmten Situationen kommen solche Sätze ganz automatisch über mich, ohne dass mir das in dem Moment bewusst wäre oder ich sagen könnte, wo das nun hergekommen ist.
In ausgeglichen Lebensphasen halten sie sich bei mir in gesunden Grenzen. Wenn es jedoch zu besagten Kritik-Situationen von außen kommt, geht's wieder ordentlich rund.

Wer sich einmal die Mühe macht, alle Kritiker-Sätze aufzuschreiben, die wir uns selbst im Laufe eines Tages so entgegenbringen, dem wird die Kinnlade runterkippen. So viel Selbstkritik kann doch unmöglich unbemerkt in mir stecken?!

Leider doch und das ist auch kein Wunder. Vor einiger Zeit habe ich identifiziert, woher viele dieser selbstzerstörerischen Sätze kommen bzw. wer meine inneren Kritiker sind -Überraschung, ich kenne diese Person/en schon mein ganzes Leben lang :-) Sie teilen sich auf in Erziehungspersonen und pubertierende, stark normativ denkende Schulfreunde, die mit Verachtung bestraften, was anders war als sie.

In dem wunderbaren Buch Von der Freude, den Selbstwert zu stärken von Friederike Potrock-Rose habe ich eine Übung entdeckt, die helfen soll, den inneren Kritiker zu besiegen, nein, vielmehr ihn zu übertönen und so Schritt für Schritt zum Verschwinden zu bringen.

1. Man wähle sich eine imaginäre wohlwollende Begleiterin. Diese kann ein altes Stofftier aus Kinderzeiten sein, mit dem man durch Dick und Dünn gegangen ist, ein Schutzengel oder irgendeine selbst erfundene Person. Wichtig ist nur, dass man zu 100% nur Wohlwollen mit ihr verbindet.

2. Man verabrede sich regelmäßig mit der Begleiterin, so wie man es auch mit einer Freundin tun würde. Am besten jeden Tag für 15 Minuten. Zumindest aber einmal die Woche. Die Begleiterin darf nur wohlwollende Dinge über dich sagen und dich mit Mutsätzen aufbauen, wo Selbstzweifel am Werk sind. Hierfür lohnt es sich auch, mal eine Liste mit Mut machenden Sätzen aufzuschreiben, vielleicht auf bunte Karteikarten, vielleicht auf Postkarten, sie zu sammeln wie Schätze, sie sich aufzuhängen und quasi auswendig zu lernen. Denn wir vergessen sie für uns selbst nur zu gern wohingegen die Kritikersätze äußerst präsent bleiben.

Jeder kennt dieses Phänomen: Wenn eine Freundin dabei ist, sich selbst so richtig schön mit Vorwürfen zu deckeln, dann springen wir ihr zu Hilfe. Wir entkräften die Vorwürfe, damit sie sieht, dass alles längst nicht so schwarz ist, wie sie es gerade malt und sie eine ganz wundervolle Person mit vielen Talenten und Kräften ist.
Wir selbst in so einer Situation haben hingegen kein gutes Wort für uns übrig. Die guten Ratschläge und beruhigenden Worte, die wir für trostbedürftige Freunde aufbringen, haben wir selbst nämlich nicht verdient, so der innere Kritiker. Und da eine reale Freundin nicht immer zur Seite sein kann, müssen wir lernen, uns selbst zu helfen.

Mit der Zeit wird die Stimme der wohlwollenden Begleiterin immer lauter, das imaginäre Bild präsenter und der innere Kritiker machtloser. Das ist sehr schön.

Ich stelle mir manchmal vor, wie plötzlich eine kecke Fee auftaucht, auf dem Drucker in meinem Büro sitzt, sich die Nägel feilt und mir gut zuredet. Sie ist eine durchweg positive, lebenslustige Person, die das Leben leicht nimmt und ganz viel Vertrauen in mich hat. Manchmal macht sie sogar einen schelmischen Witz über Kollegen, über die ich mich gerade geärgert habe. Zum Abschied zwinkert sie mir verschwörerisch zu ;-) Wenn es ganz schlimm kommt, hält sie mir ein Bild von vor die Nase, auf dem ich als alte Frau im Schaukelstuhl sitze und zufrieden lächle: Glaubst du, dass du dich mit 90 noch an diese popelige Angelegenheit erinnerst? Du mit 90 wirst stolz darauf sein, was du für ein abwechslungsreiches, gefühlvolles Leben hattest! Und jetzt ran an die Tasten und sieh zu, dass du nach Hause kommst, wo die wirklich wichtigen Dinge auf dich warten..




2 Kommentare:

  1. Na, das ist wirklich ein guter Ansatz.
    Den inneren Staatsanwalt kenne ich nur zu gut, auch wenn er bei mir nicht ganz so laut herumnörgelt.

    LG von Juliane

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  2. Liebe Maren,
    das mit der Fee ist eine super Idee, ich muss mir auch mal sowas ausdenken ;-)
    Danke! Sofia

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