Dienstag, 4. Juni 2013

Die Wahrheit beginnt zu zweit


 
Wer in einer langen Partnerschaft kennt das nicht: Vorwurfs-Pingpong, klammheimliche Versuche, den Partner nach eigenen Vorstellungen umzuerziehen oder Sätze à la "Immer musst du...", "Nie kannst du...." oder "Wenn du nicht immer soundso dann würde ich schon längst blablabla" usw. Fragt man die Paartherapeuten, sind all dies deutliche Signale für eine anrollende, handfeste Beziehungskrise UND sie kommen öfter vor, als uns das selbst bewusst ist.
Auch ich war lange fleißig dabei und habe gar nicht gemerkt, was ich da tue bzw. ich dachte, es wäre völlig normal! Ich kannte so ein Miteinander von meinen Eltern und habe dieses Modell einfach auf meine Partnerschaften übertragen. So vieles an meinen Eltern und meiner Erziehung habe ich ständig hinterfragt, kritisiert und für mich verändert -nur die Paarkommunikation ist mir anscheinend komplett durch die Lappen gegangen!
Als ich dann letztes Jahr mit meinem Freund an einem Punkt war, an dem wir uns fast getrennt hätten, habe ich mir Hilfe gesucht. Eine Paartherapie wäre meine erste Wahl gewesen, aber mein Freund hat aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Also habe ich mit der "Billigvariante", den Selbsthilferatgebern, begonnen. Ein Blog und zwei Bücher bzw. Theorien haben mir wirklich dabei geholfen und meine Partnerschaft sehr sehr sehr zum Posititven hin verbessert. Diese "Geheimtipps" möchte ich euch nicht vorenthalten, daher erzähle ich heute von.....

....Michael Lukas Moeller: "Die Wahrheit beginnt zu zweit: Das Paar im Gespräch."

In diesem Klassiker schildert der Paartherapeut Moeller eine Methode, die er selbst über Jahrzehnte hinweg  erprobt hat und die seitdem von vielen Therapeuten angewendet wird. Man findet sie auch auf jedem guten Beziehungblog im Internet. Seine Methode nennt sich „Zwiegespräch" und ist eine Unterhaltung für Paare, die festen, einfachen Regeln folgt und der destruktiven Atmosphäre entgegenwirken soll, die sich häufig einschleicht in langjährigen Partnerschaften. In diesen Gesprächen streben die Paare verschiedene Entwicklungsziele oder Einsichten an, die eine glückliche Partnerschaft laut Moeller ausmacht.
Die Zwiegespräche selbst habe ich noch nicht ausprobiert. Du kannst hier mehr über sie lesen. Vielmehr hat sich mein Kommunikationsverhalten ganz von alleine geändert (und hierdurch sämtliche Probleme in meiner Beziehung) als ich folgende Einsichten verinnerlicht habe:

 1. Ich bin nicht Du. (ich würde noch hinzufügen "Du bist nicht Ich. Und das ist auch gut so.")
Das klingt erstmal logisch und selbstverständlich. Ist es aber leider nicht. Oberste Voraussetzung einer gesunden Partnerschaft ist laut Moeller die vollständige Akzeptanz und Gleichberechtigung beider Wirklichkeiten eines Paares. Jeder hat seine eigene Realiät, mit der man den anderen bereichert, wenn er sie kennen lernt. Möchte man jedoch den anderen davon überzeugen, dass die eigene Wirklichkeit die bessere (gesündere, wertvollere, normalere, gerechtere oder was auch immer) ist, beginnen die Probleme. 
In jeder langen Beziehung schleicht sich etwas ein, dass Moeller "Paar-Rassismus" nennt oder "den anderen kolonialisieren": Jeder ist heimlich überzeugt, irgendwie doch der Bessere von beiden zu sein und den anderen verändern zu müssen. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass man oft etwas über den anderen behauptet (jeder will dem anderen weis machen, wie er wirklich sei) oder ihn oder sie "niedermacht", indem man negativ über Eigenschaften, Aussehen, Familie, Fähigkeiten usw. des anderen spricht. Viele denken, dass sie so etwas nicht tun, aber tatsächlich reicht schon ein Augenrollen, wenn der Partner etwas sagt, das uns nicht passt. Dies ist bereits eine (subtile) Form der Abwertung. Bei mir hat es zum Beispiel damit begonnen, dass ich meinem Freund eine ähnliche Ernährungsweise wie die meine nahelegen wollte und ihn jedes Mal mit verächtlichen Blicken gestraft habe, wenn er zu Bier und Pizza griff ^^
Laut Moeller ist es wichtig für eine gesunde Partnerschaft, den anderen in seiner Andersartigkeit zu akzeptieren statt sich als Paar "gleichschalten" zu wollen. Man ist zusammen, aber man muss nicht zu einer ununterscheidbaren Einheit verschmelzen. Viele versuchen genau das jedoch bewusst oder unbewusst ständig zu erreichen. Das kostet vor allem eins: ENERGIE. Es ist anstrengend, den anderen für seine Andersheit zu kritisieren und immer wieder an ihm herumzufeilen, wenn etwas negativ auffällt. Seit ich dieses Ziel nicht mehr unbewusst verfolge, ist es also deutlich leichter und unkomplizierter geworden in meiner Beziehung. Außerdem ist seitdem wieder Raum enstanden, zu erkennen, was ich alles an meinem Partner liebe, statt was ich an ihm nicht mag.

2. Wir sind 2 Gesichter einer Beziehung.
Hier geht es darum, dass jeder verantwortlich für die Beziehung und das Entstehen von Konflikten ist. Keiner ist alleiniger Auslöser eines Problems. Beide sind bewusst oder unbewusst beteiligt am Verhalten des jeweils anderen. Hat man das verinnerlicht, erübrigen sich Vorwürfe oder Selbstvorwürfe. Stattdessen ebnet man den Weg für konstruktive Gespräche, in denen man seine eigenen Anteile am Geschehen zu erkennen versucht.
Das ist den meisten auch bewusst, denn wir lernen schon in der Grundschule, dass zu jedem Streit immer zwei gehören. Trotzdem verhalten wir uns oft gegenteilig und schieben dem anderen die Schuld für den Konflikt zu. Nur ein Beispiel: Er kommt nach Hause, Sie fängt an, sich zu beschweren, dass er gar nicht merkt, dass sie die Wohnung geputzt und aufgeräumt hat. Statt den eigenen Anteil an seiner "männlichen Blindheit" ;-) zu erkennen -möglichweise braucht er einfach ein bisschen länger, um zu sehen, was für Sie offensichtlich ist oder aber er ist tatsächlich blind auf diesem Auge und benötigt einen kleinen Hinweis, keinen Vorwurf- erklärt sie ihn für schuldig am gemeinsamen Krach. Denn, wenn Er sensibel und aufmerksam genug wäre, hätte Sie auch keinen Grund, sich zu beschweren. So ein Szenario lässt sich beliebig und selbstverständlich in beide Richtungen variieren ...


3. Ich bin für meine Gefühle selbst verantwortlich.
Gefühle sind laut Moeller immer Spiegel unseres Selbst und kommen selten von außen über uns. Oft liegen die Ursachen für unsere Emotionen in unbewussten Zusammenhängen, wie z.B. verdrängten Elementen unserer eigenen Erziehung.
Zum Beispiel wurde ich in meiner Kindheit oft von meinen Eltern "bestraft", wenn ich etwas schön fand, dass ihnen nicht gefiel. Sie sagten dann so etwas wie "DAS findest du SCHÖN?!" mit zusammen gekniffenen Augen und schüttelndem Kopf. Es schwang eine gute Portion Verachtung in ihrer Stimme, Gestik und Mimik mit, ohne dass ihnen dabei bewusst gewesen sein muss, was sie taten. Sie dachten wahrscheinlich, sie bringen mir bei, was "guter Geschmack" ist. Ich jedoch lernte, dass ich einen ähnlichen Geschmack entwickeln musste, um geliebt zu werden.
Als Erwachsene projizieren wir anerzogene negative Gefühle uns selbst gegenüber (z.B. Scham, wenn mir etwas gefällt, das meine Eltern nicht mögen) gerne auf den Partner. So können wir uns selbst von ihnen entlasten. Wir sind dann voller Verachtung, wenn der Partner die triefende Salamipzza isst, die wir selbst für eklig halten, und zeigen ihm das mit ähnlichen Reaktionen wie die, die wir von unseren Eltern kennen. Es ist also nicht das ungesunde Essverhalten des Partners schuld, dass wir wütend werden. In Wirklichkeit bestrafen wir den Partner stellvertretend für uns selbst. Wir schleppen noch immer die Gefühle unserer Erziehung mit uns herum.
Das geht in die Tiefenpsychologie und ist nur EIN Beispiel für die unbewusste Ursache von Emotionen. Wichtig ist, dass wir selbst einen großen (unbewussten) eigenen Anteil an ihnen haben und daher jedesmal aufmerksam den möglichen Auslöser bei uns selbst suchen können, sobald wir eine starke Gefühlsregung wie Verachtung etc. an uns beobachten.

Mit diesen Grundsätzen im Gepäck lassen sich viele aufkommende Konflikte schnell wieder auflösen. Ziel ist es, sich an der jeweiligen Andersartigkeit des anderen zu erfreuen, anstatt sie unbewusst dauernd bekämpfen oder verändern zu wollen.
Für die Paarkommunikation hat sich daraus für mich ergeben, dass ich Ihm seltener etwas zum Vorwurf mache, ich versuche, Konfliktgespräche auf Aussagen über meine Gefühle zu reduzieren und keine Aussagen über ihn zu treffen. Außerdem bewerte ich deutlich weniger, was er tut oder sagt. Seitdem fühlen wir uns beide wieder wohl in unserer Beziehung und vieles, was schwierig war, hat sich nun von alleine gelöst. Auch fühlen wir uns einander wieder so nah, wie seit Jahren nicht mehr. Eine Zeitlang war es ganz normal, dass wir uns täglich mindestens einmal gestritten haben. Heute ist das tatsächlich die Ausnahme geworden.
Natürlich reisst manchmal mein altes Kommunikationsverhalten und die Denkmuster meiner Eltern wieder ein. Wenn ich mir dann nicht noch einmal vor Augen halte -so wie heute- was ich gelernt habe, kann die Stimmung in der Beziehung auch wieder kippen. Das ist normal und ich versuche mich nicht zu sehr dafür zu bestrafen, dass ich manchmal "rückfällig" werde. Wichtig ist nur, sich wieder zu besinnen. Das tue ich, indem ich auf folgenden Blog schaue, der mich immer wieder "runter holt", wenn ich Wut, Verachtung, Ungerechtigkeit usw. spüre und meinem Freund am liebsten eine Szene machen würde (und das kommt zum Glück nur noch selten vor): www.http://beziehungsblog.bred.at/.

Durch das Buch von Moeller habe ich außerdem gelernt, das Ziel eines Gespräches darin zu suchen, sich dem anderen einfühlbar zu machen bzw. sich in den anderen hinein zu versetzen statt ihm meine Sicht der Welt aufzuzwingen.In meinen Konfliktgesprächen ging es meistens darum, Ihm klar zu machen, dass ich mit meiner Sicht der Dinge Recht habe (Punkt 1), also meine Wirklichkeit die Wahre ist.
Beispiel: Ein Paar zieht zusammen in eine neue Stadt, in eine gemeinsame Wohnung. Sie wünscht sich Nähe und Zuneigung, er will Karriere machen und entscheidet sich, die nächsten 4 Monate ins Ausland zu gehen. Nun könnte man sich ein Konfliktgespräch vorstellen, in dem es von Vorwurfs-Pingpong nur so hagelt:
Sie: "Immer lässt du mich alleine! Wenn du mich lieben würdest, dann hättest du nicht das Bedürfnis, ins Ausland zu gehen, sondern bei mir zu bleiben!"
Und er: "Du klammerst immer so! Wenn du mich lieben würdest, würdest du nicht von mir verlangen, diese Chance aufzugeben!"
Mit obigen Einsichten und einem Gespräch, in dem nicht bewertet und kolonialisiert wird, könnten beide lernen ehrlich und wohlwollend zu verstehen, warum ihm oder ihr etwas so wichtig ist und Forderungen oder vorschnelle Entscheidungen würden von alleine vermieden. Ein schlauer Spruch kann helfen, sich daran zu erinnern: Willst du Recht haben oder willst du glücklich sein?!


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